Montag, 4. November 2013

Der Sammler auf Reisen: Athen im September

Der Sommer hielt sich in diesem Jahr lange in Athen. Im September herrschte tags über meist noch drückende Hitze. Die Menschen schlichen im Schatten der Häuser durch die Straßen, die Touristen suchten scharenweise Schutz in den belaubten Tavernen, wenn sie nicht die Straßenbahn nahmen, um sich von ihr bequem an den Strand tragen zu lassen und dort Abkühlung in den Fluten zu suchen. Wir dagegen streiften unermüdlich durch die Gassen und hielten auf unseren Erkundungstouren zu den antiken Stätten immer auch Ausschau nach Antiquariaten. In der Nähe der Universität wurden wir erstmals fündig. Wie die Brüder Humboldt vor der Berliner Universität thronen vor den Pforten des klassizistischen Gebäudes zwei Geistesriesen, Sokrates und Platon, dahinter auf hohen Säulen gar Pallas Athene und Apollon. In der Geschäftsstraße auf ihrer Rückseite hat eine große Buchhandlung ihr Domizil. In deren Nähe fanden wir zwei Bücherkioske, die neben Zeitungen und Zeitschriften sowie Erfrischungen auch reichlich alte Bücher anbieten, darunter viele Klassiker der Weltliteratur, philosophische und geisterwissenschaftliche Titel. So fanden wir zu Füßen der Tageszeitungen mit Berichten von der Berliner Wahl und Angela Merkels Sieg die Deutsche Ideologie von Marx und Engels liegend.
Fotos: Gabriele Ballon
In feinerem Ambiente am Fuße der Akropolis hält ein gut sortierter Laden ein reiches Angebot an alten Ansichten von Athen und Griechenland bereit. Weil hier auch der des Griechischen unkundige Reisende aus dem Norden sein Plaisier finden kann, sind die Preise allerdings europäisch. Eine wirkliche Überraschung bot ein Quartier in der Altstadt Plaka, das sich gleich an der Agora mit den Ausgrabungen aus der klassischen Zeit anschließt. Dort bieten neben vielen Souvenierläden auch etliche Händler von Antiquitäten und antiquarischen Secondhand-Läden ihre Ware feil. Die Lage ist sagenhaft günstig, das Buchangebot dagegen eher malerisch als bibliophil. Um den sich durch die Gassen drängenden Touristen etwas bieten zu können, halten die Händler immerhin auch Bücher in englischer, französischer und deutscher Sprache vorrätig. Bei einem Händler türmen sich die Bücher in riesigen Säulen und Wänden bis unters Dach. Weil sie ganz ohne Regale aufgeschichtet sind, muß sich der Kunde ein gewünschtes Buch aus dem Turm ziehen, während der Antiquar, Atlas gleich, den Stapel darüber einen Moment lang in der Luft hält.
Fanden wir auch nur Schmöker für den Strand, so waren wir doch zufrieden, auch im Urlaub den Duft der alten Bücher nicht missen zu müssen.
(Carsten Wurm)

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