Dienstag, 17. Februar 2015

Haben Sie das alles gelesen?

Eine oberflächliche Rezension

Auf meyerbuch findet sich eine interessante Besprechung eines hier bereits vorgestellten Buches. Interessant, weil der Berliner Antiquar mit seiner Besprechung mit keinem Wort auf den Inhalt eingehend, trotzdem den Finger in die Wunde dieses Druckwerks und anderer moderner Buchproduktion legt. Es mag oberflächlich (R. F. Meyer) scheinen, ein Buch zu besprechen, ohne auf Texte einzugehen, ist aber schmerzhaft - handelt es sich bei diesem Buch doch um einen vornehmlich von Bibliophilen geschriebenen Titel für Bibliophile - in dem jedoch letztlich jeder bibliophile Anspruch aufgegeben wird:

"Warum riechen moderne Druckerzeugnisse nur so unangenehm: reine Chemie steigt aus den aufgeschlagenen Seiten in die Nase. Man sollte sie fern von sich halten und mit einem Fernrohr lesen oder einen Nasenfilter aufsetzen, um Verätzungen der Riechschleimhaut zu vermeiden. ... olfaktorischen Unmut erregen. Zum Beispiel dies Buch über Sammler: „Haben Sie das alles gelesen?“.
Dick kommt es daher, aber das liegt vor allem am 135g/m² schweren, dicken, festen, steifen, viel zu glatten, sich schlecht blättern lassenden Papier ... oberflächlich gesehen sicherlich ungemein geeignet für den Offsetdruck in diversem Bunt, was einigen Abbildungen ihren dezenten Rotstich verleiht – dick kommt es daher, will sich nicht richtig öffnen lassen, weil die Gelenke der Buchdecke mit den Vorsätzen verklebt sind. Ergo zieht sich der Rücken bald ein inkurables Knickleiden zu. ...
Daß ein Lesebändchen, auch dies in rot, solch Staubfänger, unten ausfransender Seitenmerkstrick, irgendetwas mit Bibliophilie zu tun hätte, das ist ein beliebter Irrtum der Lesenzeichenlosen, dem auch dieses Druckwerk anhängt.
Der Einband ist von bescheidener Bläue, die aus irgendeinem behandelten Papier mit Leinenstruktur besteht: es täuscht also etwas vor, was es nicht ist – nichts für jene Finger, die Seide, Leinwand oder Leder gewöhnt sind, irgendein Material eben, das ihnen taktile Freuden bereitet. Das Papier innen ist, wie erwähnt, glatt, kein bißchen Oberflächenstruktur trübt dies; es muß eine Verschwörung geben, den Sinnen kein Futter mehr zu gewähren, ...
Warum wird in manchen neuen Büchern kein Schwarz mehr als Druckerschwärze verwandt? ...
Schrifttype: breit läuft sie über die Zeilen, als ob sie auf einer mittelalterlichen Folterbank gestreckt würde; und wenn sich ein kleines Bild mit in die Spalte schmuggelt, dann wird es zugig: plötzlich sieht sie aus wie geronnene Milch, es wird luftig zwischen den einzelnen Buchstaben, wie gesperrt schaut das aus, als ob überdehnt die gefolterten Gliedmaßen der Wörter auseinanderdrifteten.
... die Farben: Neuerdings ergießt sich Buntheit in die Bücher ... Was kann einen halbwegs sehfähigen Menschen dazu verleiten, Seiten rot oder hellbraun zu unterlegen? ...
Es sind nun seit Gutenberg, selig, einige Jahre in die Schwarzkunstländer geflossen, Erfahrungen in guter Typographie stehen haufenweise zur Verfügung, niemand ist gezwungen, gleich Tschichold-Anhänger zu werden, obwohl mir dessen Aufteilung einer Doppelseite immer noch die schönste und harmonischste dünkt. Aber bereits bei dieser Schrifttype hätte er das Grausen bekommen: jedes ‚w’ macht sich breit, zwei ‚t’ mögen sich nicht und halten stets Abstand zueinander, dafür kuscheln andere Buchstaben miteinander, ohne sich je wirklich zu verbinden, wie z.B. ‚fi’, besonders häßlich, da der i-Punkt gefährlich nah an dem nach unten gebogenen Oberteil des ‚f’ liegt  ....
Alles atmet den Hauch von Flüchtigkeit, mangelndem Gestaltungswillen und Gedankenlosigkeit – summa summarum dies Druckwerk ist ein Zeichen unserer Zeit."
(Rainer Friedrich Meyer)
 
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Klaus Walther, Dieter Lehnhardt (Herausgeber):
Haben Sie das alles gelesen? Ein Buch für Leser und Sammler.

Mironde-Verlag 2014
366 Seiten, geb., 29,90 €
ISBN-10: 3937654801
ISBN-13: 978-3937654805

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